In Wien nach der Befreiung

Von Hugo Brainin

Als ich Ende 1946 aus England nach Wien zurück kam, war ich 6 Monate arbeitslos. Ich hatte versucht als Maschinenbauschlosser bei Steyr-Daimler-Puch im 10. Bezirk unterzukommen, aber das klappte nicht. Zu dieser Zeit war es gar nicht so leicht Arbeit zu finden.

Ein alter Bekannter, den ich zufällig traf, vermittelte mir eine Stelle bei der Firma Waagner-Biro in Stadlau, die damals, als ehemaliges deutsches Eigentum, unter sowjetischer Verwaltung stand. Ein sogenannter USIA-Betrieb. Dort konnte ich bald in der Produktionsplanung arbeiten. Stolz erzählten die Kollegen, dass sie die neue Dachkonstruktion für den im Wiederaufbau befindlichen Stephansdom konstruiert und errichtet hätten. Sie erzählten aber auch, wie mit den russischen Zwangsarbeitern umgegangen worden war und zeigten die Baracken, wo sie gehaust hatten. Des Öfteren gab es heftige Diskussionen und gegenseitige Beschuldigungen im Zusammenhang mit der Behandlung der Zwangsarbeiter.
Die Sowjet-Verwaltung hatte großes Interesse an Exportaufträgen, sie brauchte, so wie alle, dringend Devisen, und so kam ich, auf Grund meiner Englischkenntnisse in die Verkaufsabteilung. Dies alles nur zur Einleitung, um das Umfeld zu schildern, in dem sich die Geschichte, die ich eigentlich berichten möchte, abgespielt hatte.
Eines Tages kam einer der vielen Bewerber wegen unserer Auslandsvertretung zu mir in die Firma. Ein großer, fescher, blonder, junger Mann, mit einem nagelneuen eleganten Sportauto und erklärte mir, er könnte uns jeden Auftrag in Ägypten, aufgrund seiner guten Beziehungen verschaffen. Auf meine Frage, wieso er so gute Beziehungen hätte, antwortete er wörtlich: „Ja, wissen Sie, ich war bei der SS und mein SS-Hauptsturmführer, der Brunner, sitzt in Kairo im Ministerium und öffnet mir alle Türen“. Ich dankte für das freundliche Anerbieten und verabschiedete den vielversprechenden angehenden Geschäftsmann.
Dieser Alois Brunner war, neben Adolf Eichmann, einer der meistgesuchten Kriegsverbrecher aus der Nazizeit und für die Verschickung der 60.000 österreichischen Juden in den Tod verantwortlich. Angeblich lebt er noch heute in Syrien.
Zu dieser Zeit gab es einen sehr populären Schlager, den man immer wieder spielte und dessen ersten zwei Zeilen lauteten: „Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind, weil wir so brav sind…“.

o. D. © Privatarchiv Brainin