Liesl Kahane 07

Ich hab mich nicht zu wehren gewusst, ich hab nie nein sagen können, aber ich hab mich auch nicht lassen. Das ist so unangenehm. Wir waren einmal auf einem Sommerlager und da sind wir mit Schlafsäcken gelegen, einer neben dem anderen und da hat ein Bursch so mit mir angefangen. Den hab ich aber weggestoßen, jeder Bursch hat immer gleich angefangen. Auch wie ich bei den Roten Falken war, da war ein Führer, der hat gesagt, er bringt mir Nylonstrümpfe und Bonboniere und was ich will. Ich hab gesagt, ich will gar nichts und ich bin mit ihm in die Wohnung gegangen und der hat mit mir angefangen. Ich hab gesagt, ich schwöre dir, wenn du nicht aufhörst, dann schreie ich, dann werden alle Nachbarn das hören. Nun aber, ich hab ihn nicht abschrecken können und dann war ich schon verheiratet, hab ich ihn einmal auf der Straße getroffen, er wollte ein Rendezvous haben, hab ich gesagt; ich bin verheiratet und ich geh nicht mit anderen Männern. Und er hat gesagt, dein Mann muss es ja nicht wissen. Die Burschen sind ekelhaft. Ich hab so Angst gehabt und ich hätte mich mit niemandem eingelassen. Ich hab sie auch nicht gern gehabt.
M: Und habt ihr über diese Dinge zu Hause reden können?
Wir haben reden können. Wir haben Gruppen gehabt, wo wir aufgeklärt wurden. Wir haben gelesen „Bub und Mädel“, „Die unvollkommene Ehe“ und verschiedene Sachen in den Gruppen. Aber mit den Eltern, weißt du, ich konnte mit meiner Mutter über alles sprechen, mit meinem Vater nicht. Man kann mit den Eltern nicht so sprechen und die haben uns nie so richtig aufgeklärt und ich hab meine Kinder nie aufgeklärt. Nein, ich konnte mit ihnen nicht über solche Sachen reden. Nicht, dass wir weiß ich wie prüde waren, aber mir gefällt das nicht.
M: Aber auf der anderen Seite hat jeder gewusst, dass der Vater Freundinnen hat und was er mit den Frauen macht.
Das haben wir gewusst und die Mama hat ihn immer sehr geliebt. Ich hab gehört, sogar wie er im Lager war und er ist ja vor der Mama gestorben, haben sie gesagt, die Mama braucht das nicht wissen, weil sie hat ihn so gern gehabt. Sie würde sich zu sehr kränken. Und wie ich geheiratet hab, ich heiraten wollte, musste ich zu ihm gehen, um eine Erklärung, weil ich noch nicht einundzwanzig Jahre war, ich war zwanzig. Er wollte mich am liebsten in einen Glaskasten geben, dass mich niemand angehen soll, aber er hat herumgetan mit den Mädels und da hat die Mama zu ihm gesagt, du hast nicht das Recht ihr das zu verweigern, weil sie wohnt nicht mit dir, du erhältst sie nicht, sie arbeitet und sie ist mit mir, du musst ihr die Bewilligung geben. Also er hat sie mir dann gegeben und dann hab ich ihn zur Hochzeit eingeladen. Er hat gesagt, er kommt nur zur Hochzeit, wenn ich seine Frau einlade. Hab ich gesagt, ich will seine Frau nicht einladen, weil ich will der Mama nicht wehtun. Er ist nicht gekommen. Er hat ein paar Jahre vorher geheiratet, die Frau hat Rubinstein geheißen, hat im 2. Bezirk gewohnt und hat ein Mädel gehabt.