Liesl Kahane 06
Die Mama hat uns das verschafft. Wir waren auch in Erholungsheimen, in Neuwaldegg war ein Tagesheim. Ich war in Pötzleinsdorf und da war ich sehr froh, da war ich das erste Mal weg von zu Hause. Wir sind auch in Wien in eine Schülerausspeisung gegangen. Das war in der Schule, aber nicht in der Schule, in die wir gegangen sind. Das war auf verschiedenen Plätzen und jeden Tag hat es was anderes gegeben, Samstag war immer Kakao und ein Stückerl Kuchen, aber sonst war verschiedenes Essen. Ich weiß nicht, ob die Clary auch hingegangen ist, aber wir waren in öffentlichen Schülerausspeisungen in Wien. Wenn ich das dem David erzähle, dann kann er das überhaupt nicht verstehen, der hat das nicht gekannt. Sein Vater hat sich sehr geplagt, weil sein Vater war Marktfahrer, ist immer in die Provinz auf die Märkte gefahren und hat Herrenkleider, Hosen und Janker und verschiedene Sachen verkauft. Und die Leute sind von überall von der Umgebung gekommen und haben eingekauft für ihre ganzen Arbeiter und so. Und dann wie der David aus der Schule war, hat er zuerst in einem Kleidergeschäft in der Mariahilferstraße gearbeitet, da hat er auch seinen Führerschein bekommen, weil der Chef hat ein Auto gehabt. Und dann wie er den Posten verloren hat, ist er auch Marktfahrer geworden, hat nichts anderes gekannt, die schweren Sachen. Da hat er sein ganzes Warenlager am Puckel getragen und ist immer für ein paar Tage weggefahren. Und wie ich aus der Schule draußen war, hab ich zuerst als Hilfsarbeiterin gearbeitet. Das war eine amerikanische Firma, die hat „Betterway“ geheißen, wo man die Ware verpackt hat, damit sie nicht beschädigt wird und im Ausstellungsraum, hab ich abgeputzt und so. Und da war ich einmal in dem Ausstellungsraum und der Direktor ist reingekommen, hat sich hinter mich gestellt, hat sich gerieben an mir und hat mich gestreift. Ich war ganz weg, ich wusste nicht, was zu machen war. Dann bin ich nach Haus gekommen und hab es erzählt. Wir haben uns bei Tisch immer die Tageserlebnisse erzählt. Die Clary hat zu mir gesagt, du musst dir das nicht gefallen lassen, wenn er von hinten kommt, mach so mit dem Ellbogen und stoß ihn, er soll dich in Ruhe lassen. Also ich hab das so gemacht, aber das hat ihn nicht gestört. Dann hab ich gesagt, ich will dort nicht mehr arbeiten. Ich war sehr scheu. Ich war vierzehn Jahre, wie ich aus der Schule war. Und dann hat die Mama gesagt, sie will nicht, dass ich als Hilfsarbeiterin arbeite, ich soll Schneiderei lernen. Sie wird mir Nähen lernen, dass ich es für den Hausgebrauch kann. Aber Schneiderin will sie nicht, ich soll lernen, denn wenn ich einen schlechten Mann hab, dann wird sich der auf mich verlassen. Sie hat mich in die Schule geschickt, Stenographie, Maschinenschreiben und Handels- und Wechselkunde und ich hab einen Posten bekommen bei einer Firma Krapfenbauer, wo ich im Office gearbeitet hab. Da hab ich telefonische Bestellungen aufgenommen und Briefe an unsere Kunden geschrieben. Ich war eine Sekretärin, aber ich war auch oft auf dem Platz, das hat man so genannt. Man muss auf den Platz gehen, bin zu Kunden gegangen, hab Aufträge entgegen genommen und kassiert. Krapfenbauer Company war eine große Holz-, Metall- und Spielwarenfabrik im 12. Bezirk in der Dunklergasse und dort hab ich gearbeitet. Und da war ein Vertreter, der bei der Firma gearbeitet hat, der hat die Schwester vom Chef geheiratet, vom jungen Chef, es war kein alter Chef. Und er ist immer nach hinten gekommen, der hat auch wieder mit mir angefangen. Ich wusste nicht, was ich machen soll, so hab ich es meiner Chefin gesagt, der Obersten Sekretärin. Das war auch ein jüdisches Mädel und sie hat ihm gesagt, er soll mich in Ruhe lassen, er solle mich nicht belästigen, weil sonst wird er nicht bleiben. Und der war dann so bös auf mich.