Liesl Kahane 05
M: Und dein Vater, hat der mit euch gegessen?
Sogar wie sie schon geschieden waren, ist er zu uns essen gekommen und sie hat ihm Essen gegeben. Weisst du, sie hat ihn sehr geliebt, sie hätte sich vielleicht nie von ihm scheiden lassen. Sie wollte sich immer scheiden lassen, sie sind bis zum Gerichtshof gekommen, er hat sich entschuldigt und hat sie gebeten, er wird schon gut sein und sie hat ihn immer zurückgenommen.
M: Also sie wollte sich schon länger scheiden lassen?
Ja, weil er ist rumgelaufen, mit anderen Frauen und sie hat das gewusst. Er ist sogar einmal mit einem Mädel gegangen, die mit mir in die Schule gegangen ist und das hat mich sehr gestört.
M: Habt ihr euch geschämt für den Vater?
Nein, wir haben immer zu ihm aufgeschaut. Er ist in der Früh aufgestanden, bevor er sich gewaschen hat, hat geturnt, hat sich gewaschen und wir haben immer zu ihm aufgeschaut. Er wollte unser Vorbild sein, aber er war es nicht. Und manches Mal haben wir ihn direkt gehasst. Aber die Mama haben wir immer geliebt und ich erinnere mich, einmal sind wir in der Kaserne im Bett gelegen, sie sind gut geworden und ich hab mich umgedreht und hab mich so gekränkt. Ich wollte nicht, dass sie gut miteinander sind, denn ich hab Angst gehabt, er nimmt mir die Mama weg. Weißt du, wenn Eltern gut miteinander leben und sie streiten manchmal, sind die Kinder entsetzt, weil sie nicht wollen, dass die Eltern auseinander kommen.
M: Ihr wolltet es, dass sich die Mutter befreit.
Ja, ich wollte und die Clary hat insistiert, dass die Mama sich scheiden lässt. Da waren wir schon groß. Sie waren zwanzig Jahre verheiratet, bevor sie sich scheiden haben lassen, das ist eine lange Zeit. Die Clary hat immer einen sehr guten Job gehabt, hat bei einem Rechtsanwalt gearbeitet und jeden Sommer hat sie auf Sommerfrische fahren müssen. Die Mama hat jede Woche ein anderes Kleid für sie machen müssen. Sie war immer sehr fesch angezogen und sehr elegant. Manches Mal wollte ich mir ein Kleid von ihr ausborgen, aber das hatte sie mir nicht geborgt.
Aber wenn sie nicht zu Hause war und ich es mir genommen und angezogen habe, hat sie es sofort bemerkt, weil sie hat es so hingelegt, dass sie merkt, wenn es wer anderer anrührt. Weißt du, wir waren zwar sehr arm, aber wir haben eine glückliche Jugend gehabt. Wir waren alle in Jugendbünden mit Kindern zusammen.