Liesl Kahane 03

Eines haben beide uns mitgegeben, sie waren sehr sozial eingestellt, also obwohl der Papa nicht sozial gehandelt hat gegen seine Familie. Ja, sie waren große Sozialdemokraten und wir waren meistens in Jungendbünden. Zuerst war ich in einigen jüdischen Jugendbünden, im Hashomer Hatzair und in der Blumauergasse im Poale Zion, da war der Papa auch ein Mitglied. Und wie ich schon halberwachsen war, wollte er immer, dass ich hinkomme. Er hat am Sonntagnachmittag Tanz gemacht und wollte, dass ich hinkomme und eintanze. Die Eintänzerinnen waren da für Leute die Tanzen gegangen sind, aber keine Partner gehabt haben. Und da bin ich hingekommen, aber das kommt viel später. Ich hab den David kennen gelernt, wie ich zehn Jahre alt war. Da war ich bei einer Freundin, bei ihr im Haus und der David war ein sehr guter Freund von ihrem Bruder und da haben wir uns kennengelernt. Wir waren ja Kinder und die Eltern sind dann am Sonntag immer mit allen Kindern zum Zinkerbacherl gegangen. Ich weiß nicht, ob du schon davon gehört hast, bei der Floridsdorfer Brücke. Und die Mütter haben sich ausgezogen, sind dann in der Kombineige gesessen und die Kinder sind schwimmen gegangen ins Zinkerbacherl. Die Burschen haben einmal gesagt, wir gehen alle Boot fahren, da haben wir uns ein Boot ausgeborgt, der David war mit mir in einem Boot und der Otto mit seiner Schwester. Beim Rudern habe ich das Ruder zerbrochen und der David hat es zahlen müssen. Also er hat es gern gezahlt, aber seine Mutter war so böse, sie hat gesagt, er soll nicht mit mir zusammen kommen, weil ich bin so eine. Ein Mädel, die immer mit den Burschen geht, oder mit den Burschen rauft, oder mit den Burschen streitet, die ausgelassen ist. Aber nicht im ordinär Sinn, sondern die immer alles mitgemacht hat mit den Burschen. Und da war sie sehr bös, weil der David das Ruder bezahlen hat müssen. Da bin ich den ganzen Weg nach Hause gelaufen und war bös mit ihm, hab nichts mit ihm geredet. Und dann wie ich sechzehn Jahre alt war und der Papa bei der Poale Zion war, hat er einmal gesagt, ich soll hinkommen. Ich hab immer für ihn die Berichte schreiben müssen von den Vereinsversammlungen, von den Statuten, oder was sie besprochen haben. Da hab ich das immer für ihn schreiben müssen, mit der Hand geschrieben und da waren wir bei dem Tanz und der David war auch dort.
Da hat er nur mit mir getanzt. Und dann im 34er Jahr war ein Putsch in Wien und da sind die Straßenbahnen nicht gefahren, ich komme vom Hundertsten ins Tausendste.
Marianne: Macht nichts. Und die Mama von euch hat zu Hause gearbeitet?
Ja, sie war mal im Park und da hat sie eine Frau angesprochen, ob sie Arbeit hat. Das war auch eine Polin, die Hanju. Sie hat sie nach Haus gebracht und die Hanju hat auf uns aufgepasst. Hanju Krawtschuk. Und diese Hanju hat bei uns gewohnt, bei uns gegessen und alles. Wir haben ihr ja nichts zahlen können, sie hat nur Essen und Quartier gehabt. Wir haben, glaub ich, nicht einmal genug Betten für alle gehabt. Manche haben im Bett geschlafen und für manche Kinder hat die Mama Sessel aufgestellt und ein Brett drüber. Wir haben das Geläger genannt.
Wir haben unten gewohnt, das war ein Zimmer und vorne wenn man reingekommen ist, hat die Mama ein Geschäft gehabt, das hat geheißen Wäsche und Wirkwaren Jetti Topf, ein Schild und das war Streffleurgasse 8. Die Mama hat einen Gewerbeschein gehabt und sie hat dort gearbeitet.