Der Hamburger Ravensbrück-Prozess 08

Er wollte wissen, was das für ein Pulver war, welche Farbe es war und wie es hieß. Ich sagte ihm, dass ich glaube, es war ein Rattengift, vielleicht Strychnin, weiß, das sie den Kranken aufs Brot schmierte. Sie führte mich zu den Kranken, die fürchterlich jammerten, sich in krampfartigen Zuständen gewälzt haben und einen schrecklichen Eindruck auf mich gemacht haben. Dann wurde ich befragt, ob es ein Buch gab, in dem man Eintragungen über die Todesart gemacht hat. Dort wo wir waren kam immer die SS und wir mussten eintragen, was man uns sagte.
Und die SS hat ganz willkürlich gesagt die eine an Angina, die andere an Herzversagen, die dritte an Typhus. So wie sie immer nur, wie ich es gekannt habe, seit Anfang an, seit meiner Verhaftung, getäuscht haben. So haben sie auch da getäuscht. Das Buch wurde ja niemandem vorgezeigt, aber es musste im Büro aufgezeichnet werden. Für wen sie das gebraucht haben weiß ich nicht, aber es waren ganz falsche Todesursachen. Das hat sie am meisten interessiert, vielleicht, weil die ersten Belastungszeugen das alles nicht gewusst haben. Es war ja Irma dort. Nachdem eine ganze Gruppe ganz kurz auf dem Block war, ein paar Minuten, bekamen wir die Meldung, dass eine ältere Frau erschlagen wurde. Ich bin dorthin gerast, wie von der Tarantel gestochen, weil ich wissen wollte was passiert sei, wie es möglich sei, dass es sofort eine Tote gibt. Wer hat sie erschlagen? Eine alte Jüdin, die kaum diesen Weg herauf gehen konnte, noch dazu blind war. Scheinbar war sie nicht schnell genug oder sonst was, da hat jemand sie erschlagen. Ich bin vor den Block gerannt und habe die Frauen gefragt, wer sie erschlagen hat, aber niemand wagte es zu sagen. Später in Wien habe ich dann die Irma gefragt, die auch einmal vom Innenministerium einvernommen wurde. Sie waren dort zwei Blockovas. Wer hat geholfen, dies Frau zu erschlagen, sie sagte mir die andere sei es gewesen. So waren die Zustände. Wir drei, die wir Freundinnen waren, die Lagerälteste Betty Wenz, die Lagerschreiberin Herta Rotowa und ich Lotte Sontag als Lagerläuferin. So waren wir dort eingesetzt. Da wir aus Auschwitz kamen, weigerten wir uns, dort hin zu gehen. Betty, weil sie eine Christin war, Herta weil sie in Auschwitz eine Lagerläuferin war und vier Sprachen konnte und mich als besondere Belohnung, was eine Schweinerei war. Der Prozess endete so, dass ich sagen konnte, was ich dort erlebt habe.