Clary, Wien 1929
© Flüchtlingskinder | Erinnerungen von Claire Felsenburg
Ich erzähle jetzt von Hanju Krawtschuk. Sie war eine Analphabetin. Wenn wir mit ihr auf ein Amt gingen, dann konnte sie immer nur mit 3 Kreuzchen unterschreiben. Wie meine Mutter sie kennengelernt hat, habe ich ja schon erzählt, wie sie auf einer Bank im Park gesessen ist. Eines Tages wurde Hanju schwanger. Sie gebar dann ein Kind namens Peter Paul. Nach der Geburt kamen beide zusammen sofort in eine Kinderübernahmestelle in der Lustkandlgasse. Dort wurde sie auch über ihre Ausweisung aus Österreich informiert. Sie sollte in die Ukraine abschubiert werden. Wir waren alle sehr traurig und aufgeregt. Wir liefen dorthin, ich erinnere mich, dass ich überall mitgelaufen bin.
Clary kam mit einer Bescheinigung von ihrem Anwalt, der einen Aufschub erreichen konnte. Aber da war sie schon in der Bahn. Wir liefen zuerst in die Lustkandlgasse und dann zur Bahn.
Ich glaube da waren meine Mutter und meine Geschwister dabei. Mein Vater war nicht dabei. Er ließ sich ja nie bei uns blicken. Nachher haben wir nie wieder etwas von ihr gehört, sie konnte ja nicht schreiben. Ich würde so gerne dorthin fahren und den Sohn suchen. Er lebt vielleicht noch. Er war kein jüdisches Kind.
Sie war eine fromme Katholikin. Ich erinnere mich, dass ich immer mit ihr in die Kirche gegangen bin. Als wir Hanju zu uns nahmen, wussten wir nicht, wo wir schlafen sollten. Das war in der Streffleurgasse und sie schlief, glaube ich, auf einem Klappbett in der Küche. Daran sieht man auch, dass Clary einen guten Kontakt zu ihrem Chef hatte, der ihr eben auch helfen wollte.